HANDWERKSKUNST UND

SCHMUCKGESCHICHTE

SYMBOLISCHE STILEPOCHEN ENTDECKEN

Epochen sind nicht nur Zeitabschnitte. Sie offenbaren mit ihren Stilströmungen den aktuellen Zeitgeist, der die Kunst maßgeblich prägt. Ihre Geheimnisse evozieren den schöpferischen Geist, der sich durch große Visionäre auch im Schmuckhandwerk manifestiert. So brachten Künstler durch Leidenschaft, virtuoses Design und technische Präzision unwiederbringliche Juwelen hervor, die Christian Stadler Antikschmuck als unikales Kulturerbe zu bewahren versucht.

STILEPOCHE | KLASSIZISMUS & EMPIRE

Klassizismus löste die Zeit des Barocks bzw. des Rokokos ab und dauerte von ca. 1760 bis 1845. Stilrichtungen wie Empire (1790–1815) und Biedermeier (1815–1848) gehören ebenfalls zu dieser kunstgeschichtlichen Epoche. Klassizismus wie auch Empire bezogen ihre Ideale allgemein aus der griechischen und römischen Antike und hatten vorwiegend eine repräsentative Ausdrucksweise.

KLASSIZISMUS & EMPIRE

Der üppig-florale Stil früherer Epochen entwickelte sich ab 1760 zu schlichteren Formen hin, welche im Grunde die Sehnsucht nach natürlicherem Dasein befriedigten. Vorbilder der anfänglich streng klassizistischen Zeitspanne waren neben der Antike auch die italienische Renaissance mit weniger ornamentalem Dekor, dafür mit strengen, geraden Linien und kühlen Farben. Der Schmuck war allgemein anspruchsvoll und hochwertig verarbeitet, aber schlichter geworden, geprägt von antiken Darstellungen, die durch diverse archäologische Funde wie z. B. in Pompeji bei Neapel bekräftigt wurden. Es kamen in dieser Zeit Kameen und Gemmen in Mode. Ebenso der Marquise-Ring, der mit seiner elliptischen Form und zwei spitzen Enden auf einen Juwelier-Auftrag von Ludwig XV. in Frankreich zurückgehen soll. Die Form des Ringes und des Diamanten sollte die Lippen einer geliebten Frau darstellen. Die Frau, für die er ersonnen wurde, war vermutlich die Marquise de Pompadour. Das Wort „Marquise“ ist die weibliche Form des Marktgrafen, eines Erbtitels im Rang zwischen Grafen und Herzogen. Marquisen demonstrierten ihre gesellschaftliche Stellung, indem sie sich mit Diamanten und Marquise-Diamantenringen schmückten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich sowohl der Marquise-Schliff – ein seltener Diamantenschliff mit 56 Facetten und einer länglichen Tafel mit Punkten, auf beiden Seiten ergänzt, damit die Illusion einer beträchtlichen Größe entstehen kann – als auch die bootförmige Ringgestaltung weiter. Später, um die Jahrhundertwende, wurde diese Formgestaltung als Schiffchen-Form bekannt und häufig mit einzelnen Diamanten und einem zentralen bunten Edelstein verziert.

Man trug in den ersten Jahren der klassizistischen Epoche bevorzugt nicht zu viel Buntes, sondern eher monochrome Gestaltungen von Perlen und Diamanten. Gerne griff man auch zu kostbaren Schmuck-Ensembles mit passenden Colliers, Ohrringen, Armbändern und Broschen, die zum Luxusleben am Hofe und in den Residenzen perfekt passten. Von diesem Flair aus hat sich die klassizistische Epoche etabliert. Der fortgeschrittene Empirestil folgte zwar weiter der Geradlinigkeit und Strenge des Klassizismus, wechselte jedoch von demokratisch-schlicht zu imperial-prunkhaft. Die napoleonische Zeit prägte den kurzlebigen Empirestil und ließ alles pompöser und monumentaler ausfallen. Betonte Feierlichkeit in der Kunst- und Schmuckdarstellung demonstrierte Größe und Macht, Colliers und Kopfschmuck zeigten allmählich mehr Farbe, Gold und insgesamt mehr Leidenschaft.

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STILEPOCHE | BIEDERMEIER

Nach den napoleonischen Zeiten wuchs in der Gesellschaft die Sehnsucht nach Romantik, der Wunsch nach einem gemütlichen Zuhause – nach beflügelnder Wohnkultur, Literatur und Musik. Die Epoche des Biedermeiers erstreckte sich über rund 30 Jahre (1815–1848), aber seine Formsprache wirkte erstaunlicherweise darüber hinaus noch lange prägend. Für manches Mitglied der Wiener Gesellschaft dauerte die Biedermeier-Zeit

BIEDERMEIER

überhaupt oft bis zur Jahrhundertwende, was zweifellos eine große Leidenschaft für diese Epoche offenbart. Schmuck war in dieser Zeit generell landestypischer geworden; so kamen Korallen aus Italien oder Granate aus Böhmen in Mode. In dieser Zeit wurden vor allem Broschen, Medaillons und Armbänder gerne getragen, die sich an naturalistischen und persönlichen Motiven orientierten. Im Biedermeier fand der Freundschaftskult statt, der das Symbolhafte forcierte. Der Schmuck wurde deshalb als Trauerschmuck populär, aber auch als Souvenir gefeiert: Man nahm beispielsweise Mosaiken-, Lava- oder Korallenkameen von einer Italienreise mit oder schenkte jemandem eine Brosche mit Miniaturporträt. Neben Porträtbroschen gestaltete und trug man Erinnerungsstücke gerne auch beispielsweise mit Eigenhaar oder getrockneten Blumen. Nach den Kriegszeiten waren Edelmetalle generell rar und teuer, weshalb man Gold sehr dünn schmiedete. Um die Schmuckobjekte schwerer wirken zu lassen bzw. um sie zu stabilisieren, füllte man sie mit Harz, Kitt und Sand. Oftmals wurden statt Gold andere Legierungen verarbeitet; so fasste man beispielsweise Granate in Tombak, eine Messinglegierung, die die Farbe des Goldes gut nachahmen konnte. Auch das sogenannte Viertelgold wurde verwendet, bei dem der Goldanteil im Metall lediglich ein Viertel oder weniger ausmachte.

Mit Eisen experimentierte man in der Schmuckherstellung vorwiegend in Deutschland, indem aus feinen Eisendrähten, auch „Fer de Berlin“ (Berliner Eisen) genannt, wunderbare Colliers und Armbänder geschaffen wurden, die wie feine, schwarze Spitze aussahen. Diese passten gut in diese große romantische und irgendwie auch sentimentale Epoche – sie haben die bürgerliche Zurückhaltung und Bescheidenheit fein betont. Häufig wurden in dieser Zeit auch kleinere und günstigere Edelsteine beim Schmuck eingesetzt, Motive wie Rosen und Ranken dargestellt und Materialien wie Türkis, Koralle oder Horn verwendet, um Freundschaft, Liebe und Hingabe zu symbolisieren.

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STILEPOCHE | HISTORISMUS & BELLE ÉPOQUE

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen tiefgreifende Veränderungen vonstatten, welche die Gesellschaft schnell und maßgeblich formten. Während der Gesamtzeitspanne des Historismus 1840–1890 setzte die Industrialisierung ein, was auch niedrigeren Gesellschaftsschichten den Erwerb von maschinell produziertem Schmuck erlaubte. Parallel dazu wurde der Anspruch höherer Gesellschaftsschichten größer,

HISTORISMUS & BELLE ÉPOQUE

was Juweliere wie beispielsweise Louis Cartier, Frédéric Boucheron oder Gustav Fabergé zu großer Kunst inspirierte. Historismus griff generell auf alte Stilformen zurück; so sind auch die sogenannten Neostile wie Neobarock, Neorenaissance, Neorokoko etc. entstanden – es war, als ob man vor den Neuerfindungen der Zeit wie Automobilen, Telegrafen, Elektrizität, Rolltreppen und dergleichen in frühere, ruhigere Zeiten flüchten wollte. Historismus diente offenbar dazu, Ängste aufzulösen und eine Art Orientierung und Sicherheit in Zeiten eines schnellen Wandels zu bieten. Im Schmuckbereich entstanden frische Entwürfe in gewohnten und bekannten Formen, die mit neuen Goldschmiedetechniken anspruchsvoller und kreativer bearbeitet werden konnten. So gelang es mittels Galvanotechnik – einem Verfahren, bei dem nichtmetallische Werkstoffe mittels Elektrolyse metallisch überzogen werden–, das Kopieren von historischen Schmuckstücken zu perfektionieren. Die Galvanotechnik wurde vom deutschen Ingenieur Hermann von Jacobi im Jahr 1837 entdeckt und wird seit 1885 industriell genutzt. Die Goldschmiede förderten zur Zeit des Historismus auch verschüttetes Handwerksgut zutage. So beispielsweise das sogenannte Granulieren, das schon die alten Ägypter, Griechen und Etrusker praktiziert hatten und bei dem man mittels kleiner Kügelchen eine Oberfläche aus demselben Material verzierte. Dabei wurden die Kügelchen mittels einer Reaktionslötung ohne metallisches Lot so platziert, dass Licht und Schatten eine schöne plastische Oberfläche kreieren konnten. Der römische Goldschmied Augusto Castellani hat im Historismus diese Technik wieder belebt. Parallel dazu entwickelte sich in England der viktorianische Stil, ein kreativer Historismus voller Ideen und von völlig eigener Prägung.

Der anschließenden kurzen Zeitspanne ca. zehn Jahre vor dem Ende des 19. Jahrhunderts gaben die Franzosen den Namen Belle Époque. Es war eine Zeit der Lebensfreude, des Amüsements, der Gastronomie. Große Diamanten und fein gearbeiteter Schmuck mit zart-floralen Ornamenten glänzten überall, Licht und Eleganz orientierten sich an der Formsprache der Klassizismus bzw. Empire. In dieser Zeit wurde auch die Technik des Dublierens angewendet und verbreitet, bei der man eine dünne Edelmetalllegierung unter hohem Druck und Hitze auf ein anderes Edelmetall auftrug. Der Unterteil war meist Rotgold, der Oberteil vorwiegend Silber, wobei man in dieser Zeit beim Dublieren bereits ebenfalls mit Platin experimentierte. Es war beim Schmuck um die Jahrhundertwende auch schon Funktionalität gefragt, etwa wenn man eine Brosche auch als Anhänger tragen konnte. Belle Époque war eine gewagte „schöne Zeitspanne“, die alles hinterfragte und mit dem sich ausbreitenden Jugendstil gleichzeitig den Weg zur Moderne eröffnete.

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STILEPOCHE | VIKTORIANISCHES ZEITALTER

Während der Herrschaft von Königin Victoria (1837–1901) blühten Industrie, Kunst und Handel in England auf. Dementsprechend präsentierte sich britischer Schmuck während des Historismus mit einer eigenen Note, den man für die Zeit durchaus als farbenfroh, kreativ und innovativ bezeichnen kann. Die Viktorianische Ära wird grundsätzlich in drei Perioden aufgeteilt: die romantische Periode (1837–1860),

VIKTORIANISCHES ZEITALTER

die große Periode (1860–1885) und die ästhetische Periode (1885–1901). Erstere arbeitete mit historisierenden Entwürfen und romantischer, ornamentierter Formgebung. Diese fügten sich gut in den Historismus ein, u. a. mit symbolhaften Medaillons, mit Inschriften und mit sittlichen Porträts, die bei der gefühlvollen Königin Victoria sehr beliebt waren. In der folgenden großen Periode wurden archäologische wie auch Zivilisationsthemen aufgegriffen und etwa Skarabäus-Ringe oder japanische Jade-Colliers mit Menuki-Elementen entworfen; das sind Griffornamente beispielsweise bei geschmiedeten Schwertern. Zu Anfang der großen Periode im Jahr 1861 starb Prinz Albert, der geliebte Gemahl der Königin, was ewige Trauer bei Victoria einleitete – und gleichzeitig neue und lebhaft-bunte Schmuckkreationen förderte. In dieser Zeit wurde auch das neue Material für Trauerschmuck, das sogenannte Jett oder Gagat, verbreitet, womit man eine politurfähige, schwarze Braunkohle bezeichnet. Sie wird auch Pechkohle genannt und wurde bereits während der Bronzezeit für ornamentale Darstellungen verwendet. In seiner besten Qualität findet man Jett in der Nähe der Küstenstadt Whitby in Yorkshire.

Die ästhetische Periode der Viktorianischen Ära ab 1885 inspiriert bis heute mit vorwiegend industriell, doch sehr gut verarbeiteten, ideenreichen und außergewöhnlichen Schmuckkreationen. Beliebte Details waren dabei Emaille-Malereien, welche Blumenmotiven lebendige Farben verliehen. Bevorzugt wurde auch sattes Gelbgold, welches die Farbigkeit der Gesamtkomposition nochmals betonte. Aufwendige Gravuren ließen Anhänger, Ringe und Armbänder reich verziert und üppig aussehen. Der während der ersten Periode noch bevorzugte Türkis wurde durch bunte, auffällige Edelsteine aus Indien ersetzt. Zu Anfang der ästhetischen Periode wurden u. a. auch aufregende Broschen mit für die Zeit völlig ungewöhnlichen Motiven wie Fliegen, Schlangen, Schmetterlingen, Käfern, Fledermäusen etc. sowie mit Freizeitmotiven wie beispielsweise Golfschlägern oder Polospielern gefertigt.

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STILEPOCHE | JUGENDSTIL

Der Jugendstil, auch „Art nouveau“ genannt, ging als kunstgeschichtliche Epoche Ende des 19. Jahrhunderts aus der Belle Époque empor und bildete zwischen 1896 und 1920 eine völlig neue Kunstbewegung. Der Name leitete sich von der von Georg Hirth gegründeten Münchner Kulturzeitschrift „Jugend“ ab, die für eine „Neue Kunst“ plädierte. Abgewendet von alten Epochen wollte man völlig neue Stil-Wege einschlagen.

JUGENDSTIL

In Wirklichkeit war Jugendstil eine Art Antwort auf die Geschehnisse des 19. Jahrhunderts: einerseits auf die industrielle Entwicklung und damit auf die maschinell hergestellten Massenwaren vorwiegend aus dem viktorianischen England, andererseits auf die Belle-Époque-Zeitspanne Frankreichs, in der das Treiben der gehobenen Elite in Exaltiertheit ausuferte. Jugendstil wollte Kunst leben und anders erleben und sie in den Alltag integrieren. Dieser Anspruch ist gelungen, da Künstler dieser Stilrichtung die Grenzen zwischen Kunst und Handwerk auflösten, sodass sich die Jugendstil-Bewegung, genauso wie deren Ursprung, etwa die „Arts & Crafts“-Bewegung in England, sowohl in der Schmuckgestaltung als auch in der Architektur, Malerei, Möbel- und Glasherstellung, Grafik und in der Typografie etc. verbreiten konnte. Im Jugendstil entstanden bislang ungesehene, geschwungene Linien, geometrische Formen und flächenhaft stilisierte, meist emaillierte pflanzliche oder abstrakte Ornamente. Elegante Blumen, Insekten, Vögel und Fabelwesen stellten den Bezug zur Natur dar. Auch Frauenkörper waren beliebte Motive des Jugendstils.

Der Schmuck zeigte generell frei fließende, harmonische Linien, die Bewegung suggerierten. Gelbgold und Silber wurden gern verwendet, traten bei den Kompositionen optisch jedoch in den Hintergrund. Blüten sowie Tierflügel wurden mit der Plique-à-jour-Emaillierungstechnik verziert, die an Glas erinnert und Schicht für Schicht gebrannt wird, um Transparenz und lebhafte, elektrisierende Farbkraft zu erreichen. Der ausgebildete Juwelier René Lalique, einer der einflussreichsten Designer des Jugendstils, hat seine dekorative Emaillierungs- und Glaskunst in dieser Epoche wohl auf ein Spitzenniveau gehoben. Tiffany gründete sogar Tiffany Studios, um mit den handgefertigten Jugendstilstücken anderer Firmen mithalten zu können. Die Jugendstilbewegung ging schließlich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Europa zu Ende, hat jedoch nachkommende Zeiten mit ihren einzigartigen Designelementen weitgehend beeinflusst.

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STILEPOCHE | ART DÉCO

Der Ära des Art déco erhielt ihren Namen von einer Schmuckkunst-Ausstellung, die in Paris im Jahr 1925 stattfand, der „Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes“, und dauerte von 1920 bis 1945. Im Art déco ging es vorwiegend um die Vereinigung von Kunst und moderner Industrie. Man sehnte sich nach den Kriegsjahren plötzlich nach Innovation und Erneuerung.

ART DÉCO

Zeitschriften förderten neue Ideen und erklärten, wie man sich fühlen, leben oder einrichten solle. Wohlhabende Nachkriegsbürger investierten lustvoll in Schmuck, da das Geld in dieser Zeit generell schnell an Wert verlor. Die Inspiration für Art-déco-Schmuck bzw. für diese Stilrichtung war international: Südamerikanische, indische, orientalische und afrikanische Kunstrichtungen begeisterten. Der Begriff Kubismus, der von Pablo Picasso aus der Malerei ausging, wurde bei der Schmuckgestaltung auch gerne verwendet, weil man durch neue Winkel und geometrische Formen die frei fließenden Linien vom Jugendstil unbedingt auflösen wollte. Eine Reihe von großen Erfindungen prägte die Schmuckherstellung. So hatte z. B. die Verwendung von ausschließlich zähem Platin luftigere Designs zur Folge, da es, um einen Edelstein sicher halten zu können, beim Platin weniger Metallmaterial brauchte. Oder beispielsweise führten Bijouterie-Künstler der Zeit, die Edelsteine auf skulpturale Weise einsetzten, neue Schliffarten ein. Um bessere Reflexionen bei Edel- und Halbedelsteinen zu erzielen, wurden etwa Calibré-, Trapez- oder Dreieck-Schliff etc. populär. Zur besseren Orientierung fasste man die Schliffarten erstmals systematisiert zusammen und ordnete sie in Mustern an. Neu waren auch Lacktechniken aus Fernost oder das von Van Cleef & Arpels im Jahr 1933 entwickelte Mystery-Setting (Serti Invisible), also die „unsichtbare Fassung“, die Edelsteine durch Rillen- und Schienensysteme so befestigte, dass dabei kein Metall mehr zu sehen war. Es wurden auch Kunststoffe wie Bakelit oder Synthesen eingeführt, um Edelsteine nachzuahmen. Auch die Ästhetik des populären Bauhaus-Stils wurde aufgegriffen.

Die Perle wurde zum Kultjuwel des Art déco; kein Wunder, da man ein Verfahren entwickeln konnte, bei dem man Perlmuttkügelchen in perlentragende Austern einpflanzte. Die so produzierten Perlen waren vielfältig in Farbe und Form und wurden großzügig, lang und ausladend getragen. Typischerweise trug man in der Zeit auch gerne Kleiderclips, die einzeln oder als Brosche verwendet wurden. Auch voluminöse Ohrringe waren in Mode, die häufig mit abnehmbaren Elementen ausgestattet wurden, um der Idee der vielseitigen Anwendung zu entsprechen.

Die faszinierenden, zeitlosen Schmuckgestaltungsideen des Art déco leiteten den Modernismus ein, welcher die darauffolgenden Stilrichtungen beeinflusste. Der Schmuck gewann an Popularität und fand in der Folge ein immer größeres Publikum.

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STILEPOCHE | MID-CENTURY – 1950ER-JAHRE

Die weltmüden 1940er-Jahre verwandelten sich langsam, aber stetig in die wohlhabenden 1950er-Jahre. Mid-century zwischen 1940 und 1960 umfasste einerseits den sogenannten Retro-Stil der 1940er-Jahre, der im Schmuckdesign als eigener Stil gilt und nichts mit dem Ausdruck Retro in dem Sinne zu tun hat, und den Stil der 1950er-Jahre, bei dem das Schmuckdesign prägnanter war und mehr Entwicklung zeigte.

MID-CENTURY

Die schönen seidigen Schleifen, Blütenmotive und glatten Weiten der goldenen Spiegeloberflächen der 1940er-Jahre-Retro-Stil-Bewegung wurden durch krummlinige, verdrehte, geflochtene Goldstrukturen und durch klobige, teils textilähnliche Oberflächen ersetzt. Mode und Schmuck wurden generell üppiger und weiblicher: Die Frauen zeigten durch den gefeierten Couturier Christian Dior mit seinen „New Look“-Kreationen Wespentaillen und freizügige Dekolletés. Zu Letzteren passten hervorragend die neu gestalteten Colliers, die in erster Linie kostbare Diamanten präsentierten. Durch den Fokus auf die Fassung einer Vielzahl kleinerer Diamanten statt großer Einzelsteine konnte Schmuck die schnell wachsende Mittelschicht erobern. Der Werbeslogan der De Beers Diamond Corporation, der „A Diamond is Forever“ lautete, oder der legendäre Titel des Jazz-Songs „Diamonds are a Girl’s best Friend“ aus der Broadway-Produktion „Gentlemen Prefer Blondes“ aus dem Jahr 1949, berühmt geworden durch die Interpretation von Marilyn Monroe, ließen auf einmal Tausende Frauen von einem Leben mit funkelnden Diamanten träumen. Neben ausschließlich aus Diamanten und Platin gefertigten Schmuckstücken waren auch Edelsteine in kräftigen, leuchtenden Farben in Kombination mit Gold gefragt. Die berühmten Juwelierhäuser kreierten beeindruckende Schmuckkollektionen, wie z. B. Jeanne Toussaint, die für Cartier die legendäre „Collection Panthère“ kreierte und damit Cartiers „Panther-Icon“ erfand, das bis heute nichts von seinem Image und Wert verloren hat.

Es gab auch Newcomer wie z. B. den New Yorker Juwelier Harry Winston, der die Meinung vertrat, Diamanten bestimmten das Design allein und seien somit das wesentlichste Element eines Schmuckstückes. Dem war zwar nicht so, aber er setzte an zierliche Platinfassungen Diamant an Diamanten so, dass seine Kreationen einen atemberaubenden Eindruck erzielten und ihm gebührend große Erfolge brachten. Neben Colliers wurden vor allem Broschen gefertigt, da diese gerne auch stilgerecht nahe dem Dekolleté getragen wurden; daher waren vor allem Kombinationen wie Brosche/Ohrringe oder Ohrringe/Collier angesagt. Das Ringdesign hingegen entwickelte sich nach den großen, anmutigen, kühnen Ringen der 1940er-Jahre nur langsam. Sie wurden erst später, gegen Ende der Mid-century-Periode, wieder aufwendiger und glamouröser gestaltet.

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STILEPOCHE | VINTAGE

Das Wort „Vintage“ ist ein Überbegriff und bezieht sich auf alte Gegenstände bzw. Kollektionen zwischen 1920 und 1980. Durchwegs meint man damit auch Second-Hand-Ware, also Schmuckstücke, die schon zuvor im Besitz von jemandem waren. Es wird spekuliert, dass der Begriff sich ursprünglich durch die Weinkunde etablierte, da dort mit dem Wort „Vintage“ seit jeher der Jahrgang des Weines bezeichnet wird.

VINTAGE

Vintage-Schmuck oder Vintage-Uhren können heute mit entsprechendem historischem Hintergrund, oder wenn sie beispielsweise von einer Berühmtheit getragen wurden, auf Auktionen teils zu extrem hohen Summen ersteigert werden. So etwa das La-Peregrina-Collier der Schauspielerin Elizabeth Taylor aus den 1950er-Jahren, das aus einem historischen Anhänger, früher im Besitz der Spanischen Krone, kombiniert mit einem Vintage-Halsband von Cartier bestand und auf einer Auktion satte 8 Millionen US-Dollar erzielte. Auch die original Rolex Daytona Uhr Ref. 6263 aus dem Besitz des Schauspielers Paul Newman, die er 1972 als Geschenk von seiner Frau erhielt, erzielte bei einer Auktion den Rekordpreis von über 17 Millionen US-Dollar, obwohl der Wert der Uhr heute aktuell bei rund 200.000 Euro liegt. Dieses Model von Rolex heißt seither grundsätzlich Paul Newman und generiert dadurch einen höheren Preis. Vintage-Objekte stellen oft einen weitaus höheren Wert dar: den ideellen Wert. Damit wird der Wert gemeint, der durch emotionale Bindung zu den Objekten entsteht.

In den 1970er-Jahren ist auch der Ausdruck Retro in Verwendung gekommen. Man hat Altes bis in die 1990er-Jahre hinein gerne mit dem Wort Retro beschrieben, was aber nicht mit dem Retro-Stil der 1940er-Jahre verwechselt werden darf. In den 1970ern gab es allerdings nicht nur Altes, sondern auch ganz moderne, faszinierende Schmuck-Ideen. So begann beispielsweise 1967 die Schaffensperiode des Düsseldorfer Goldschmieds und Künstlers Friedrich Becker, der als Erfinder des kinetischen Schmucks gilt. Seine kinetischen Schmuckkreationen mit beweglichen Elementen sind wahre Kunstobjekte bzw. Statements, die in puristisch nüchterner Formsprache mit den Bewegungen des Trägers mitschwingen. Dabei werden die Gesten des Trägers Bestandteil des Schmuckes, indem Balance-Elemente oder Impulskugeln das Schmuckmaterial mit der eigenen Bewegung verbinden. Auch seine Entwürfe, wie beispielsweise sein kinetischer Edelstahl-Zweifingerring aus dem Jahre 1987, der heute als Vintage-Schmuckobjekt gilt, konnten bei einer Wiener Auktion auch schon rund 3000 Euro erbringen.

Tatsächlich gibt es aber zwischen den Bezeichnungen Vintage und Retro einen großen Bedeutungsunterschied: Während man mit Vintage-Schmuck alte Schmuckstücke mit alten Materialien beschreibt, verwendet man den Ausdruck Retro-Schmuck für neue Stücke, die sich in der Fertigung an alte Designs anlehnen. Vintage-Schmuckstücke begeistern grundsätzlich durch einen einmaligen Charme, da sie mitunter auch die Energie und das originale Flair vergangener Epochen in sich tragen. Es handelt sich hierbei um prachtvolle Einzelstücke, die sich von der Masse abheben und als grandiose Kunstobjekte verführen.

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STILEPOCHE | CONTEMPORARY – HEUTE

Die Schmuck-Preziosen von heute überraschen durch zahlreiche Ideen, Material- und Stil-Verknüpfungen, die modernen Schmuck so einmalig machen. Viele kleine Manufakturen arbeiten heute in großer Stilfreiheit und bieten außergewöhnliche, individuelle Schmuckentwürfe in hoher Qualität an. So wie beispielsweise die Seitner Schmuckwerkstatt in Wien, die in ihrer „Facettenkollektion“ außergewöhnlich facettiertes Goldmaterial sowie

CONTEMPORARY

Edelsteine in skulpturaler Formsprache präsentiert, oder wie etwa die Berliner Schmuckwerkstatt Quite Quiet, die gelungenen Materialmix aus Gold, Keramik und gegerbtem Leder anbietet. Neben opulenten Fertigungstechniken und Materialmix hat sich auch der Trend zu Gegenteiligem, nämlich zu zartminimalem Schmuck aus Eigenproduktionen oder aus Massenproduktionen aus China, durchgesetzt. Diese sind niedliche, bezaubernde, teils winzige Schmuckstücke, die dennoch ein zeitgemäßes Zeichen setzen und die sich auch nicht begüterte Menschen leisten können. Bei kleinen, zarten Schmuckstücken wird gerne auch das sogenannte Layering praktiziert, wo verschiedenartige Schmuckstücke wie z. B. Halsketten oder Armketten mit unterschiedlichen Materialien wie Gold, Silber, Stoff, Leder oder Kunststoff zusammen bzw. aufeinander getragen werden. Dadurch ist heute beim Contemporary-Schmuck nicht unbedingt das Was, sondern eher das Wie entscheidend. Gegenwärtig zählt vor allem die Kreativität, mit der man den eigenen Stil präsentiert, die Anmut der Betrachtungsweise, mit der man seinen eigenen Schmuck persönlich wählt, kombiniert und trägt.

Heute kann jeder in allen Stilrichtungen Schmuck tragen und damit seine Individualität zum Ausdruck bringen – im Gegensatz zu früheren Epochen, wo in erster Linie Wohlhabende an die Tür großer Juweliere klopften, während die Arbeiterschicht draußen blieb, da diese sich Glänzendes weder erlauben noch leisten konnte. Sollte dabei ein Schmuck-Trend seinen absoluten Tiefpunkt erreichen, wird er einfach irgendwann wiederbelebt. So zum Beispiel die berühmte Panzerkette der 1980er-Jahre, die damals jeder tragen wollte und dann gar nicht mehr, wurde um 1990 herum durch berühmte Rap-Stars erneut in Szene gesetzt und als cooles Accessoire gefeiert. Später wieder, ab 2010, in Prêt-à-porter-Kollektionen von Luxuslabels wie Louis Vuitton oder Lanvin in fulminantem Comeback und in einer völlig neuen Interpretation propagiert – in aufwendig dekorierten, flachen Ausführungen als Armbänder, Fußketten oder Ringen. Inspiriert von Trendbewegungen vergangener Zeiten lassen viele Mode-Designer heute für ihre Kollektionen ideenreichen Modeschmuck oder aufwendigen echten Schmuck produzieren. Damit verleihen sie Juwelen gleichzeitig einen völlig neuen Stellenwert: Sie erklären Schmuck zum allgegenwärtigen, selbstverständlichen und unverzichtbaren Stilelement mit unbegrenzten Gestaltungsmöglichkeiten, das in erster Linie der Selbstdarstellung, der Statussymbolik und der Definition des eigenen Geschmacks dient.

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